Menü

Healing Through Fatigue

Jakub Choma

02.03. - 18.05.2025

Ausstellung

share

Jakub Choma: Healing Through Fatigue

[dt. Heilung durch Ermüdung]

Eröffnung Samstag, 1. März 2025, um 18 Uhr

In seiner ersten institutionellen Einzelausstellung überträgt der Künstler Jakub Choma (*1995) Elemente aus digitalen Spielwelten in eine räumliche Installation, die das Publikum mit komplex verschachtelten Ebenen, hybriden Materialkombinationen und ihrem chaotisch-künstlichen Charakter in den Bann zieht. Dabei setzt er narrative Strategien des Worldbuilding2 ein und verwandelt die Ausstellungshalle des Heidelberger Kunstvereins in ein dungeon3-ähnliches Terrain, das Besucher*innen wie ein Open-World-Level4 erkunden können. Der Titel Healing Through Fatigue bezieht sich auf das im Gaming bekannte Motiv des Verlusts der Lebenskraft eines Charakters, wenn die vorgegebenen Spielgrenzen beim Umherstreifen überschritten werden. Und genau dort, wo im Spiel der Tod durch Erschöpfung droht, sieht Choma im Kontext künstlerischer Strategien das Potenzial zur Selbstermächtigung gegeben. Dementsprechend aktiviert er seine Installationen, wenn er in ihnen spielt. Dafür eignet er sich, fast tänzerisch, die Bewegungen von Nicht-Spieler-Charakteren (NSCs) an, Figuren also, die vom Algorithmus der Spielwelt und deren Logik gesteuert werden. Dabei greift er auch auf Bewegungsmuster zurück, die auf Programmierfehlern – sogenannten Glitches – beruhen. Ein bekanntes Beispiel eines solchen ist das endlose Gegen-die-Wand-Laufen einer Figur, das auf TikTok sogar zu einem eigenen Video-Genre avancierte.

Choma setzt Beobachtungen aus Gaming-Communities wie World-of-Warcraft-Gilden und digitalen Rollenspiel-Foren ein, um die Gestaltung seiner Environments zu beeinflussen. Er beschränkt sich nicht auf oberflächliche Anspielungen, sondern schöpft tief aus den ästhetischen Codes der Quests5 und Spielarchitekturen. Viele dieser Referenzen findet er in Online-Diskussionsforen – Plattformen wie Discord oder Twitch; Orte des Erfahrungsaustauschs und der Entstehung einzigartiger Subkulturen. Hier werden Medieninhalte, Fanart und ein spezifisches Vokabular neu entwickelt. Sie tragen nicht nur zum Wissensaustausch bei, sondern formulieren Ausdruck von Zugehörigkeit. Die in lebendigen Communitys zirkulierende Kommunikation verdichtet sich zu Anspielungen und Botschaften, die nur Eingeweihte mit Verständnis für die gemeinsamen Codes verstehen. In seiner Arbeit greift Choma solche Sprach- und Bildebenen auf und überträgt sie auf reale Räume und physische Materialien. Dabei verwendet er Kork, Kunststoff, Holz, Metall, Aufkleber, Textilien und Elektronikbauteile, die er wiederum mit Druckverfahren kombiniert. So entstehen hybride Assemblagen, die er zu raumgreifenden Installationen verdichtet. Diese wirken auf den ersten Blick chaotisch, sind jedoch bis ins Detail durchkalkuliert. Insbesondere Kork wird in Chomas Werk zum zentralen Trägermaterial, dessen Körnung und flexible Struktur er als Analogie zum digitalen Pixel begreift.

Die komplexe Überlagerung und gegenseitige Durchdringung von digitalen Spielwelten und analogen Materialstrukturen in Chomas künstlerischer Praxis bezieht sich auf aktuelle Diskussionen über das, was als Post-Internet bezeichnet wird. Hierbei geht es nicht um ein Ende oder ein Danach des Internets, sondern um die Auseinandersetzung mit der Idee, dass das Netz sich in alle Bereiche des Lebens ausgebreitet hat, dort weiter wuchert und nicht mehr isoliert definiert oder betrachtet werden kann – ähnlich wie in Chomas Installationen.

Gleichzeitig verweist dieses Verständnis auf Theorien, die das Internet nicht mehr als rein immateriellen Raum begreifen, sondern als tief in die physischen und psychischen Infrastrukturen eingelagerte Instanz, die – wie die Künstlerin Hito Steyerl formuliert – „nicht tot und überall“ ist und damit die Unterscheidung zwischen Online- und Offline-Erfahrung obsolet erscheinen lässt6. In Chomas Projekten spiegelt sich diese „undead presence“ in einer Ästhetik, die das Spielhafte mit der physischen Realität verschränkt und darauf hinweist, dass selbst physische Realität stets von digitalen Logiken durchtränkt ist.

Notes

  1. Bild: Video Still aus Jakub Choma "Gears of Life", Performance at PLATO Ostrava, Czech Republic, 2020, Camera: Matěj Doležel, © the artist.
  2. Die Erschaffung einer fiktiven Welt.
  3. Orte in Fantasie, Pop- und Konsumkultur, die dafür entworfen werden, Konsumer*innen ein sogenanntes "immersives", meist abenteuerliches und unheimliches Erlebnis zu bereiten.
  4. Digitales Spielareal, das Spieler*innen frei erkunden können.
  5. Aufgaben und Herausforderungen in digitalen Spielen.
  6. Hito Steyerl: Too Much World: Is the Internet Dead?, e-Flux Journal, Issue #49, November 2013.
  7. Kurator: Søren Grammel
  8. Co-Kuratorin: Fabienne Finkbeiner