Artist Talk Raphaela Vogel mit Diedrich Diederichsen (Autor) und Søren Grammel (Kurator) Sonntag, 25. Februar, 12 Uhr
Bei dem im Titel der Ausstellung erwähnten „gefundenen Subjekt“ handelt es sich um den deutsch-jüdischen Autor, Übersetzer und Theatermacher Erich Hopp, der die meiste Zeit seines Lebens von 1888 bis 1949 in Berlin verbrachte. Eine reale, heute aber nahezu unbekannte historische Figur. Raphaela Vogel „fand“ Hopp durch Zufall, als sie vor ein paar Jahren ein Haus in Eichwalde, südöstlich von Berlin bezog.
„Found Subject“ ist bei weitem nicht nur die Annäherung an einen Ort und die in dessen Geschichte lose miteinander verwobenen, teils verblassten Biografien. Vielmehr führt die Arbeit vom Spezifischen rasch auf die Makroebene: hinein in die schmerzvolle Erfahrung einer Zeit, in der der Glaube an das emanzipatorische Potenzial der ästhetischen Moderne mit den totalitären Versprechungen des Faschismus und dessen staatlich organisiertem Unrecht kollidierte.
Die hohe Aktualität der Ausstellung liegt darin, dass sich heute unzählige Menschen an den verschiedensten Orten der Welt vor den Häschern autoritärer Staaten, vor Krieg, Hass, staatlicher Willkür und Verfolgung verstecken müssen, weil ihnen aufgrund ihrer Herkunft, ihrer Hautfarbe, ihrer Religion, ihres Flüchtlingsstatus oder ihrer Lebensweise von anderen das Existenzrecht abgesprochen wird. Dieses Grauen betrifft nicht nur eine bestimmte Gruppe oder ein bestimmtes Volk, sondern ist überall und in der gesamten Menschheitsgeschichte Realität. Empathie, die heute wieder viel gefordert und manchmal sogar politisch verordnet wird, ist ein oft missverstandener Begriff. Es wird übersehen, dass es sich dabei um die Fähigkeit handelt, das Leiden anderer, vielleicht sogar derer, die auf der vermeintlich „anderen Seite“ stehen, mitfühlen zu können und zu wollen.
Kuratiert von Søren Grammel
Zur KünstlerinDie Arbeit von Raphaela Vogel zeichnet sich durch den unkonventionellen Einsatz verschiedener Medien aus. Neben Malerei, Video, Skulptur und Musik formuliert die Künstlerin eine ganz eigene Form des Umgangs mit dem Objet trouvé, der Arbeit mit gefundenen Objekten. So verwendet sie beispielsweise rohe Industrieprodukte wie einen Hochspannungsisolator oder Objekte der Massenkultur wie das bei Stadtfesten oder Fußballspielen übliche Plastik-Urinal. Auch sein klassenbewusstes Pendant, ein goldfarbener Hotelkofferwagen, kann zum Einsatz kommen. Gemeinsam ist den ausgewählten Objekten, dass sie im Kunstkontext besonders sperrig und roh wirken. Ihre Formen entspringen dem Pragmatismus und ökonomischen Kalkül des nackten Alltags, nicht dem ästhetischen Diskurs.Für ihre Videos arbeitet Vogel seit neun Jahren mit manipulierten Drohnen. Immer wieder sucht sie nach neuen Kamerabewegungen, die sich ihrer subjektiven Regie entziehen. Sie wirft Kameras, montiert sie auf bewegliche Vorrichtungen oder gleitet mit ihnen durch den Kanal einer Wasserrutsche.Vogel malt, druckt und zeichnet (oft alles gleichzeitig) auf den unterschiedlichsten Materialien von Reflektoren über Lederhäute bis hin zu Tyvek.Durch die Kombination all dieser Praktiken schafft sie überraschende und provokante Installationen. Dabei bezieht Vogel den gesamten Ausstellungsraum in ihre Arbeit mit ein und setzt sich mit dessen Architektur auseinander. Letztere hat sie mit der genau kalkulierten Aufhängung extrem schwerer Lasten schon an den Rand des Einsturzes gebracht. Es scheint eine Methode ihres künstlerischen Ansatzes zu sein, immer wieder die Grenzen dessen zu markieren, was gerade noch oder schon nicht mehr als „zulässig“ gilt. Auf diese Weise fragt sie, welche Instanz eigentlich das Recht hat, darüber zu entscheiden? Was und wer ermächtigt wen im gesellschaftlichen Apparat? Ihre Titel können dabei lustvoll affirmativ mit der Rhetorik autoritärer Ideologen spielen („Ich gebe euch eine Verfassung“), ironisch Geschlechterstereotype dekonstruieren („She Shah“, „In festen Händen“) oder die eigene Position im Kunstbetrieb reflektieren („Ultranackt“).In jüngster Zeit entstehen Installationen, die in essayistischer Weise unterschiedliche und widersprüchliche Positionen politischer und kulturwissenschaftlicher Diskurse miteinander (und gegeneinander) verhandeln.Vogel wurde 1988 in Nürnberg geboren. Sie lebt in Berlin.
Raphaela Vogel, Ausstellungsansicht “Found Subject” im Heidelberger Kunstverein, Feb-Mai 2024. Fotos von Tanja Meissner (Karlsruhe), Courtesy & Copyright Heidelberger Kunstverein
Raphaela Vogel, Ausstellungsansicht “Found Subject” im Heidelberger Kunstverein, Feb-Mai 2024. Foto von Tanja Meissner (Karlsruhe), Courtesy & Copyright Heidelberger Kunstverein
Raphaela Vogel, Ausstellungsansicht “Found Subject” im Heidelberger Kunstverein, Feb-Mai 2024. Fotos von Tanja Meissner (Karlsruhe), Courtesy & Copyright Heidelberger Kunstverein
Raphaela Vogel, Ausstellungsansicht “Found Subject” im Heidelberger Kunstverein, Feb-Mai 2024. Fotos von Tanja Meissner (Karlsruhe), Courtesy & Copyright Heidelberger Kunstverein
Raphaela Vogel, Ausstellungsansicht “Found Subject” im Heidelberger Kunstverein, Feb-Mai 2024. Fotos von Tanja Meissner (Karlsruhe), Courtesy & Copyright Heidelberger Kunstverein
Raphaela Vogel, Ausstellungsansicht “Found Subject” im Heidelberger Kunstverein, Feb-Mai 2024. Werk: Wer bin ich?, 2023. Fotos von Tanja Meissner (Karlsruhe), Courtesy & Copyright Heidelberger Kunstverein
Raphaela Vogel, Ausstellungsansicht “Found Subject” im Heidelberger Kunstverein, Feb-Mai 2024. Werk: Wer bin ich? (Detail), 2023. Fotos von Tanja Meissner (Karlsruhe), Courtesy & Copyright Heidelberger Kunstverein