Intersektionaler Feminismus
Unter Intersektionalität wird die Verschränkung verschiedener Ungleichheiten verstanden. Zugehörigkeiten und Lebensrealitäten wie Geschlecht, Ethnizität, Klasse, Religion, Weltanschauung, sexuelle Orientierung, Gesundheit, Alter etc. bestimmen in einer Wechselwirkung zu einander gesellschaftliche Chancen.
Der Intersektionale Feminismus betont, dass Diskriminierung nur hinreichend analysiert werden kann, wenn alle Kategorien in gleicher Weise berücksichtigt und als voneinander abhängig betrachtet werden. Nur so kann erkannt werden, wie verschiedene Formen von Diskriminierung – zum Beispiel Sexismus und Rassismus – gleichzeitig erlebt werden. Das Geschlecht ist einfach nicht die einzige Kategorie, die das Leben einer Frau bestimmt.
Ursprung der Debatte
Der Begriff intersectionality wurde erstmals von der amerikanischen Juristin Kimberlé Crenshaw (1989) verwendet, um feministische mit antirassistischen Debatten zu verbinden. Der Ursprung der Thematik ist jedoch auf die Erfahrungen Schwarzer Frauen und Lesben zurückzuführen. Sie sahen sich in dem Feminismus der weißen, heterosexuellen Frauen aus der Mittelschicht nicht vertreten.
Das zentrale Problem der Frauenbewegung könnte nicht treffender beschrieben werden, als mit dem viel zitierten „Ain´t I a Woman?“ (1851) (Bin ich etwa keine Frau?) der Frauenrechtlerin und ehemaligen Sklavin Sojourner Truth. Truth bezog sich in ihrer Rede nicht nur auf ihr Stimmrecht, sondern kritisierte gleichzeitig die Frauenbewegung in ihrer Gleichgültigkeit gegenüber den Rechten von Schwarzen Frauen und ihrer Ignoranz in Bezug auf die Kategorie Klasse. Zusätzlich legt sie dar, dass sich die Erfahrungen von Schwarzen Frauen von denen von weißen Frauen, wie auch von denen Schwarzer Männer unterscheidet, und verdeutlicht damit die Überschneidung von Rassismus und Sexismus.
Frauen für Frauen
Ab Mitte der 20er Jahre wurde die Debatte durch schwarze Feministinnen wieder aufgegriffen – wie zum Beispiel durch das Combahee River Collective (1974 – 1980), das sich aus der Perspektive Schwarzer lesbischer Feministinnen gegen die vielfältigen Unterdrückungssysteme der Gesellschaft aussprach. Audre Lorde, die später dem Kollektiv beitrat, bezeichnet sich treffend als „black lesbian feminist mother poet warrior“, als schwarz, lesbisch, feministisch, Mutter, Dichterin und Kämpferin. As Inbegriff von Intersektionalität ist ihr Aktivismus von dieser Mentalität durchzogen. Unterschiede zwischen und Hierarchien unter Frauen dürfen nicht ignoriert werden. In ihrer Anerkennung liegt erst die Kraft, die für einen gesellschaftlichen Wandel nötig ist. Ohne den Zusammenhalt kann keine Gemeinschaft frei von Unterdrückung entstehen.
Seit der ersten Erwähnung des Begriffs im Zusammenhang mit Gewalt gegen Schwarze Frauen hat Intersektionalität Einzug in die feministischen Mainstream-Debatten erhalten und stellt weiterhin die Art und Weise in Frage, wie sie auf eine feministische Praxis angewandt werden sollte, die sich weitgehend auf die Erfahrung weißer, heterosexueller, Cis-Frauen (deren Geschlechtsidentität dem Geschlecht entspricht, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde) aus der Mittelschicht konzentrierte.
Weitere Lektüre:
Kimberle Crenshaw, „Demarginalizing the Intersection of Race and Sex: A Black Feminist Critique of Antidiscrimination Doctrine, Feminist Theory and Antiracist Politics,“ (1989), University of Chicago Legal Forum: Vol. 1989 , Article 8, hier klicken
„The Combahee River Collective Statement“, hier klichen
Gloria Anzaldúa, „The bridge called my back“
bell hooks,“ Aint I a woman“
Bild: Audre Lorde, 1980, by K. Kendall
